Stadtrats-ABC: Wie entsteht ein Beschlussantrag und was folgt daraus?

Die Freie Presse berichtet heute über unseren Beschluss zu Fahrradstraßen über den Sonnenberg. Wie entsteht eigentlich so ein Beschlussantrag und wie kommt es zum Beschluss? Am konkreten Beispiel will ich erläutern, wie sich ein Beschlussvorschlag entwickelt, was „Einreicher“ und „Gegenstand“ bedeuten, wie die Beratungsfolge sein kann und warum mit einem Beschluss des Stadtrates das Thema oft noch lange nicht erledigt ist.

Ursprung des Antrags

Die Initiative für eine Fahrradstraße kam aus dem Stadtteil selbst. Zwei Mitglieder des Bündnisgrünen Kreisverbandes, welche die aktuelle Situation auf dem Sonnenberg gut kennen, erarbeiteten ein Vorschlag und sammelten eine Reihe guter Argumente für das Vorhaben. Im nächsten Schritt diskutierten wir die Idee in unserer AG Stadtentwicklung. In dieser AG können sich alle einbringen, die die Stadtentwicklung voranbringen möchten, nicht nur Mitglieder unseres Kreisverbandes. Hier gab es die erste Kontroverse zur Initiative: Die Befürworter*innen warben dafür, mit dem Antrag auf die Situation für Radfahrende auf dem Sonnenberg aufmerksam zu machen und diese zu verbessern, andere Stimmen mahnten an, durch solche Einzel-Initiativen die Gesamtbetrachtung zur Entwicklung des Radverkehrsnetzes nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn die Initiative greift der für dieses Jahr geplanten Fortschreibung zum Chemnitzer Radverkehrskonzept genauso vor, wie der ältere Stadtratsbeschluss zur Einrichtung einer Fahrradstraße auf der Henriettenstraße (Kaßberg).

Mit dieser Diskussion im Hinterkopf nahmen wir die Initiative mit in die Fraktionsgemeinschaft BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Dort entschieden wir, bei anderen Fraktionen um Unterstützung bei der Einreichung eines Beschlussantrages mit dem Gegenstand: „Einrichtung einer Fahrradstraße im Stadtteil Sonnenberg“ zu bitten. So wie der Chemnitzer Stadtrat zusammengesetzt ist, kann keine Fraktion etwas allein erreichen. Es gibt auch keine festgefügten Mehrheiten. Es muss bei jedem Thema neu verhandelt werden. SPD und Linke/Die Partei signalisierten Unterstützung, von der CDU-Fraktion kam der gute Vorschlag, nicht nur eine Nord-Süd-Route, sondern auch eine Ost-West-Route zu untersuchen.

Einreichung, Beratung und Beschluss

Der so angepasste Beschlussvorschlag wurde dann von der federführenden Fraktion (in diesem Fall die BÜNDNISGRÜNEN) über das Büro des Oberbürgermeisters eingereicht und in das sogenannte Ratsinformationssystem eingepflegt. Einreicher sind in diesem Fall die vier Fraktionen. Einreicher kann aber auch eine einzelne Fraktion sein oder eine Gruppe von Stadträt*innen. Alle eingereichten Beschlussanträge erhalten dann eine fortlaufende Nummer (BA-Nummer/Jahr). Auf dem Deckblatt steht auch die sogenannte Beratungsfolge. Die kann wie in diesem Fall sehr kurz sein. Denn es gab nur eine Beratung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Mobilität. Bei anderen Beschlussanträgen aus den Reihen der Stadtratsfraktionen oder Beschlussvorlagen aus der Verwaltung kann es auch sehr lange Beratungsfolgen geben, damit viele Menschen aus den Beiräten, den Ortschaftsräten und den verschiedenen Ausschüssen sich zum Thema beteiligen können. Alles ist in der Geschäftsordnung für den Stadtrat geregelt

Am 29. November 2022 habe ich dann stellvertretend für die einreichenden Fraktionen den Antrag im zuständigen Ausschuss (für Stadtentwicklung und Mobilität) eingebracht. Es gab eine kurze Aussprache und dann den Beschluss. Obwohl der Gegenstand „Einrichtung einer Fahrradstraße im Stadtteil Sonnenberg“ suggeriert, dass nun die Fahrradstraße ausgewiesen wird, bedeutet dies der Beschluss nicht. Die finale verkehrsrechtliche Festsetzung einer Fahrradstraße obliegt ausschließlich der Verkehrsbehörde. Doch der Beschluss beauftragt die Verwaltung, die Voraussetzungen für diese Entscheidung zu schaffen. Damit klar ist, was am Ende am ursprünglichen Beschlussvorschlag noch geändert wurde, wird der Beschluss in einem extra Dokument im Ratsinformationssystem abgelegt. Wer also wissen will, was beschlossen wurde, darf sich nicht nur den Beschlussantrag anschauen, sondern das Dokument mit dem Beschluss.

Vom Beschluss zur Umsetzung

Nun gibt es häufig die Kritik, dass der Stadtrat schon vieles beschlossen hat, was dann aber nicht so umgesetzt wird. Ja, das ist so. Die Freie Presse greift diese Kritik schon in der Überschrift zu dem heutigen Artikel auf: „Trotz Forderung von Stadträten: Neue Fahrradstraßen fehlen“. Deswegen ist mit einem Beschluss das Thema nicht erledigt. Es ist wichtig, dranzubleiben und die Umsetzung einzufordern. Häufig werden Termine beschlossen, bis wann die Verwaltung den Beschluss umsetzen soll. Manchmal können diese Termine aber nicht eingehalten werden. Wichtig ist, dass die Stadtverwaltung den ehrenamtlich arbeitenden Stadträt*innen gut begründet, warum etwas nicht oder noch nicht oder nicht so, wie es beschlossen wurde, realisiert werden kann. Das Thema Fahrradstraßen werden wir erneut aufrufen, wenn die Fortschreibung der Radverkehrskonzeption auf die Tagesordnung kommt.

Die Abläufe in der kommunalen Demokratie können sehr langwierig sein. Die Verfahren sind für Außenstehende nicht leicht verständlich. Für die ehrenamtlich arbeitenden Stadträt*innen ist das auch anstrengend. Die erzielten Kompromisse zwischen dem Gewünschten und dem Machbaren oder zwischen gegensätzlichen Interessen sind für viele Menschen auch nicht zufriedenstellend. Dennoch werbe ich immer wieder für die kommunale Demokratie. Denn sie ermöglicht wie auf keiner anderen Ebene jeder und jedem, sich wirksam für sein Lebensumfeld einzumischen.

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